Medienästhetische Strategien des Rahmens und Übersetzens in Graphic Novels
Projektleitung: Prof. Dr. Astrid Böger, Universität Hamburg
Wissenschaftliche Mitarbeit: Johannes Schmid
(Amerikanistik, Visual Culture)
Das Forschungsprojekt ging der Frage nach, wie Prozesse des Rahmens und Übersetzen die grundlegende Medialität und Erzählweise des Comics konstituieren. Gleichzeitig wurde in den Blick genommen, wie grafische Literatur es ermöglicht, transkulturelle Erfahrungen durch ihre Übersetzung in genau diese Medialität überhaupt erst darstellbar zu machen. Rahmen wurden auf verschiedenen Ebenen untersucht: die expliziten, visuellen Rahmen des Comics in ihren Panels und Rastern, wie auch die impliziten Rahmen in Genre-Vorstellungen und kulturellen Interpretationsschemata. Eine Grundannahme des Projektes war es, dass die visuellen und textuellen Rahmen des Comics größere kulturelle Rahmen manifestieren und so beschreibbar machen.
Rahmen und Rahmungen stellen einen wesentlichen Aspekt der Produktion und Rezeption grafischer Literatur dar: Figuren und Ereignisse werden in eine abstrakte Cartoon-Sprache übersetzt und in Einzelpanels gerahmt. Die Comic-Panels sind ihrerseits in Rastern und Sequenzen angeordnet und werden im Leseprozess ständig neu gerahmt. Gleichzeitig inkludiert der Zwischenraum (engl. gutter) zwischen den Einzelbildern medienimmanent immer auch die Leerstelle des Nicht-Gesagten und ermöglicht es so, auch das Nicht-Sagbare zu evozieren. Graphic Novels wurden somit als Medium des Übergangs untersucht: Die Comicform basiert essenziell auf der medialen Manifestation von Grenzen aber auch deren Transzendierung im Rezeptionsprozess.
Das Teilprojekt nahm insbesondere autobiographische Werke aus dem deutschen und anglo-amerikanisch-australischen Raum in den Blick. Ein Schwerpunkt war hierbei die Darstellung von Migrations- und Fremdheitserfahrungen. Im Promotionsprojekt The Frames of Documentary Comics wurden die Rahmungsphänomene dokumentarischer Comics beschrieben. Nichtfiktionale Formen nutzen den Comic als inhärent subjektives und interpretatives Medium und brechen selbstreflexiv mit dessen konventionellen Medienrahmen, indem sie sich als faktuale Berichte präsentieren. Anhand der Reibung ko-präsenter Bezugsrahmen werden so die Grundbedingungen der Realitätsdarstellung neu ausgehandelt.
Die gewonnenen Erkenntnisse wurden mit den Comic-Autorinnen Katie Green und Birgit Weyhe sowie in einem Workshop mit dem Teilprojekt „Rahmungsexperimente. Bildergeschichten um 1900 in deutschen humoristisch-satirischen Blättern und als US-Zeitungscomics“ der DFG-Forschergruppe Journalliteratur. Formatbedingungen, visuelles Design, Rezeptionskulturen diskutiert und reflektiert. Die Ergebnisse des Workshops und des Teilprojektes werden in einer gemeinsamen Publikation 2018 niedergelegt. Die Arbeit des Teilprojekts bietet vielfältige Anschlussmöglichkeiten für die kultur- und medienwissenschaftliche Forschung auch über die Amerikanistik hinaus. Comics stellen ihre Rahmung- und Übersetzungsprozesse stark in Vordergrund, während sie in anderen Medien häufig implizit bleiben. Somit erweist sich grafische Literatur als besonders anschauliches Beispiel für die interdisziplinären Implikationen des Rahmens und Übersetzen.