Forschungsprojekte
In der Zusammenführung der Leitkonzepte Übersetzung/übersetzen und Rahmung/rahmen und in der interdisziplinären Zusammenarbeit von medien-, kultur-, kunst- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen besteht der originäre grundlagentheoretische Forschungsbeitrag der Arbeitsgruppe. Übersetzen und Rahmen werden dabei selbst zugleich als ‚Produzenten‘ und ‚Produkte‘ medialer Praktiken verstanden. Zu dieser praxisorientierten Fundierung der Leitbegriffe, zu ihrer interdisziplinären Auslegung sowie zu den komplexen Wechselwirkungen dieser medialen Prozesse liegen bislang keine Forschungsbeiträge vor. Deshalb werden zum einen die Leitkonzepte in allen Teilprojekten zusammengeführt, wobei je nach Fragestellung und Untersuchungsgegenstand unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Zum anderen dienen die Einzelstudien dazu, die Plausibilität der Leitkonzepte und ihr Zusammenspiel an verschiedenen empirischen Materialien und Medientransformationen zu prüfen.
Für den gemeinsamen Forschungszusammenhang ist eine konzeptionelle Zusammenführung der beiden Leitkonzepte auf dem derzeitigen Diskussionsstand folgendermaßen denkbar: Wenn eindeutige Rahmungen nicht mehr auszumachen sind und Wahrnehmungs-, Affizierungs- und Aneignungsprozesse für deren Konstitution eine zentrale Rolle spielen, rücken Übersetzungen im Sinne modularer Transformationen in den Blick. ‚Rahmenwechsel‘ sind demnach keine singulären Akte, sondern fortwährende Vorgänge der De-, Re- und Neukontextualisierung, die sich im Wechselspiel von Wahrnehmung und Deutung ereignen. ‚Rahmungshinweise’ – zeitliche und räumliche Klammern, die den Wirkungsbereich der Modulation eingrenzen und das Gebiet anzeigen, auf das sich die Modulation erstrecken soll – zeigen Übersetzungen an, werden aber erst durch ein bestimmtes Rahmenwissen les- und verstehbar. Das Gelingen der Übersetzung in Form einer Neukonstitution von Sinn ist wesentlich vom Verstehen dieser komplexen Rahmungsbedingungen und Rahmungserzeugungen abhängig.
Die Arbeitsgruppe geht von der performativitätstheoretischen Annahme aus, dass Medien das, was sie transportieren, zugleich – in je spezifischer Weise – mit hervorbringen. Anders aber als eine medientechnische Position, die die Medienapparate selbst wesentlich für die Erzeugung von Sinn verantwortlich machen, werden hier die für mediale oder perzeptive Sinngenerierung erforderlichen Praktiken des Rahmens fokussiert. Anknüpfend an aktuelle Ansätze z.B. zum „emanzipierten Zuschauer“ (Rancière 2009) oder zur ‚Akteur-Netzwerk-Theorie‘ (Latour 2007) beruht das Forschungskonzept auf der Annahme, dass ästhetische, mediale oder perzeptive Rahmungen nicht extern und a priori gesetzt werden. Vielmehr werden Rahmungen zum einen von den Partizipierenden aktiv, wenngleich nicht unbedingt bewusst (mit) hergestellt. Zum anderen sind verschiedene Akteure, zu denen neben Menschen z.B. auch Dinge oder technische Apparate gehören können, an ihnen beteiligt. Mit dieser Perspektive will die Forschergruppe zugleich den in der Medienforschung bereits vor einiger Zeit in Frage gestellten Dualismus von Produktion und Rezeption praxeologisch reformulieren. Die Leitfrage, wie Medien an der Erzeugung von Sinn beteiligt sind, wird von daher auch als ein Vorgang untersucht, der sich einerseits über die Materialität der Medien (vgl. Gumbrecht/Pfeiffer 1988), andererseits über Praktiken der Wahrnehmung, Affizierung und Aneignung vollzieht. Mit Blick auf die transitorischen Praktiken des Übersetzens und Rahmens positioniert sich das Forschungskonzept im aktuellen Diskurs der media studies, wonach Medien nicht ontologisch beschreibbar sind, sondern als Transition, als fortwährende Übergänglichkeit begriffen werden: als instabil und sich durch kulturelle Praktiken permanent verwandelnd und umschreibend.
Die Disziplinen übergreifende Zusammenführung von medienwissenschaftlichen mit kultur-, kunst- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen und Methoden ist ein grundlegendes Charakteristikum der Forschergruppe. Während ein Theorie- und Methodenlabor den Kern der Forschungsarbeit bildet, überprüfen die Teilprojekte die Konzepte Rahmung/rahmen und Übersetzung/übersetzen anhand von konkreten empirischen Studien und erarbeiten exemplarisch deren Relevanz und Funktionsweise für eine interdisziplinäre Medienforschung. Das Forschungskonzept rückt dabei vor allem drei Untersuchungsfelder in den Mittelpunkt: mediale, kulturelle und situationale Übersetzungen und Rahmungen:
(1) medial: Mediale Transformationen durch Verfahren und Praktiken der Rahmung/des Rahmens und der Übersetzung/des Übersetzens sind das Kernthema der Forschergruppe. Alle Teilprojekte beschäftigen sich mit intermedialen Übersetzungen. Sie knüpfen dabei an aktuelle Inter- und Transmedialitätsforschungen an, ohne aber dem Topos der Medienkonvergenz zu folgen.
(2) kulturell: ‚Kulturalität‘ beschreibt mediale Transformationen zwischen unterschiedlichen Kulturen, Lebensstilen, kulturellen Räumen und den damit verbundenen Praktiken. Die Leitfrage nach Wahrnehmungs-, Affizierungs- und kulturellen Aneignungsprozessen provoziert eine Untersuchung der Zusammenhänge von medialen und kulturellen Transformationen.
(3) situational: Der Begriff ‚Situationalität’ entstammt der Textlinguistik und wird hier interdisziplinär erweitert. Mit ihm werden alle situativen Rahmungen gefasst und Aneignungspraktiken beschrieben, d.h. Formen der Aufführung, ihre Ereignishaftigkeit und Unwiederholbarkeit, die damit verbundenen Erfahrungen und lebensweltlichen Verankerungen. Fokussiert werden so die performativen und situationsspezifischen Hervorbringungen von Sinn.
Durch die Verflechtung dieser drei Analyseebenen wird den situationalen Prozessen der kulturellen Aushandlung, wie sie in und mit medialen Praktiken entstehen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Jedes der Teilprojekte erforscht die Verflechtungen zwischen den medialen Ebenen. Zugleich werden durch inhaltliche und methodische Vernetzungen sowie das Methoden- und Theorielabor Rückführungen auf grundlagentheoretische Fragen sichergestellt. Die jeweiligen medialen, kulturellen und situationalen Transformationen werden also nicht als isolierte und in sich geschlossene Akte betrachtet, sondern als ein dynamisches System permanenter Hin- und Rückübersetzungen mit entsprechenden Überlagerungen.
Die Forschergruppe konzentriert den Untersuchungszeitraum auf Praktiken medialer Transformationen seit den 1990er Jahren. Damit nimmt sie aktuelle Entwicklungen gegenwärtiger Kulturen und Medienlandschaften in den Blick. Der Zeitraum korrespondiert mit dem Paradigma der Digitalität und der Verbreitung digitaler Soft- und Hardware als Massenmedien. Diese Entwicklung und damit einhergehende Diskurse – z. B. Globalisierung, Mediatisierung oder multimedialer Wissenstransfer, neue mediale Milieus – spielen folglich eine tragende Rolle. Es ist davon auszugehen, dass Übersetzen und Rahmen zwar ‚anthropologische Grundprinzipien‘ darstellen, die sich in unterschiedlichen Ausprägungen in allen Kulturen finden lassen. Ihnen kommt aber in den globalisierten Mediengesellschaften eine besondere Relevanz zu, die sich in den Praktiken zeigt und hier anhand der Parameter Medialität, Kulturalität und Situationalität untersucht wird. Die Konzentration der Forschungsarbeit auf Phänomene der gegenwärtigen globalisierten Medienkultur und die Intermedialität der Künste ist nicht nur gesellschaftlich relevant. Sie zielt auf eine grundlagentheoretische Arbeit an kultur-, medien- und sozialwissenschaftlich signifikanten und aktuellen Begriffen und Konzepten. Zudem dient sie auch forschungsstrategisch der Kohärenz der Forschungsprojekte und der plausiblen Verflechtung der Teilprojekte.