Interkulturelles Übersetzen und situationales Rahmen in zeitgenössischen afrikanischen und arabischen Spielfilmen
Projektleitung: Prof. Dr. Michaela Ott, Hochschule für Bildende Künste
Wissenschaftliche Mitarbeit: Sophie Lembcke
(Ästhetische Theorie, Filmwissenschaft, Philosophie, Übersetzungspraxis)
Dieses Teilprojekt befasste sich mit der Frage des Übersetzens und Rahmens als eines Vorgangs, der sich als überraschend einflussreich erwies für die Herausbildung der modernen kulturellen Selbstverständnisse Frankreichs und Deutschlands wie auch gewisser afrikanischer und arabischer Länder. In einem ersten Schritt wurden wechselseitige kulturelle Zuschreibungen europäischer und afrikanischer Autoren in diesem geopolitischen Rahmen zwischen den 1930er Jahren und der Gegenwart, mithin transnationale und transkontinentale Übersetzungsbewegungen und Rahmenkonfigurationen rekonstruiert.
In einem zweiten Schritt wurden Film- und Kunstproduktionen aus verschiedenen afrikanischen Ländern, vorzugsweise Mali, Senegal, Kamerun und Südafrika, sowie dem Libanon analysiert. Dabei wurde deutlich, dass die Filmproduktionen aus der afrikanischen und arabischen Welt seit jeher als ‚kompositkulturelle‘ Kreationen anzusehen sind: Sie entstehen durchweg über die Aneignung von westlich vorgegebenen Filmformaten, ihren aristotelischen Dramaturgien und standardisierten Bildsprachen und deren Füllung durch ausgewählte afrikanische oder arabische Problemstellungen. Der mediale Übersetzungs- und Rahmungsvorgang wird von dem kamerunischen Filmemacher Jean-Pierre Bekolo oder dem libanesischen Filmemacher Ghassan Salhab als durchaus gewaltsamer beschrieben, da die filmische Ästhetik und Thematik von westlichen TV-Anstalten und Geldgebern mitbestimmt wird und als Übersetzung eigener Anliegen in vorgegebene mediale Rahmungen erfolgen muss.
In diesem Sinn wurden verschiedene Filmproduktionen zwischen 1960 und der Gegenwart auf ihre unterschiedlichen Bezugnahmen auf diese Ausgangsbedingung – einschließlich gewisser Anspielungen auf deutsche Stoffe oder Filme – und ihre unterschiedlichen ästhetischen Lösungen hin analysiert. Die zwangsläufig „dividuelle“ (Ott) Verfasstheit dieser Filmezeigte sich nicht nur in situationsbedingten Inhalten, sondern in Arten der (Um-)Nutzung des medialen Formats und in der Haltung, in welcher der Notwendigkeit der kulturellen Übersetzung und der Rahmenübernahme begegnet wird. Dabei fiel auf, dass sich zeitgenössische Filmemacher*innen aus afrikanischen oder arabischen Ländern und der Diaspora nicht mehr als Opfer der Kolonialismus-bedingten Verhältnisse, sondern als gleichberechtigte Akteur*innen auf dem globalen Parkett begreifen wollen, weshalb sie das kompositkulturelle Ineinander fruchtbar zu machen suchen. Sie erkennen die Situiertheit ihres künstlerischen Handelns an, reagieren in parodistischer Weise oder mit futuristischen Projektionen auf die ästhetisch-politische Ausgangssituation und suchen die Übersetzung als laterales Procedere zu verstehen.
Die postkoloniale Perspektive auf Übersetzungsprozesse wird voraussichtlich wissenschaftliche Weiterschreibungen in den Bereichen der Ästhetik, der Kultur- und Filmwissenschaft und anderen Disziplinen provozieren. Publiziert wurden die Untersuchungsergebnisse zu begrifflichen und filmischen Übersetzungs- und kulturellen Rahmungsprozessen in wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Kontexten. Eine Weiterführung der Fragestellungen erfolgt in der Dissertation von Sophie Lembcke unter dem Titel Strategien für eine widerständige Kunst zwischen Hybridisierung und Dezentralisierung, aber auch in der weiteren Lehre und Forschung an der HFBK.