Individuelle videogestützte Lernbegleitung zur Verbesserung der pädagogischen Trainingsqualität im Nachwuchsleistungssport
Das Forschungsprojekt knüpft an das Projekt „Pädagogische Qualität des Trainings in der Talentförderung“ an. Im Mittelpunkt stehen sportart- und fachübergreifende Qualitätsdimensionen guten Lehrens und Trainierens und ihre individuelle Aneignung durch TrainerInnen. Die Ziele waren erstens die Ausweitung der im o.g. Projekt entwickelten Bibliothek von videobasierten Lehr-Lern- Umgebungen auf Sportarten mit anderen Kontextbedingungen (Handball, RSG). Zweitens werden zwei Interventionsformate vergleichend untersucht, die Präsenzlehre mit Online-Lernen verknüpfen: A) Zugang zur Videobibliothek und B) individuelle Lernbegleitung (Coaching).
Die Aus- und Fortbildung von TrainerInnen steht vor besonderen Herausforderungen, die durch Ressourcenknappheit und die Notwendigkeit einen engen Anwendungsbezugs gekennzeichnet sind (vgl. unten). Das Trainerhandeln steht in der Praxis immer im Schnittfeld vielfältiger Qualitätsanforderun- gen, insbesondere im Schnittfeld fachlicher und pädagogischer Anforderungen. In der Praxis der Ver- bände wird in den Aus- und Fortbildungsformaten vor allem ein Schwerpunkt auf die fachliche Qualität gelegt. Im vorangegangenen Projekt wurde beforscht, inwieweit Bildungsformate, die auf evidenzbasierte fachübergreifende Qualitätsmerkmale des Lehrhandelns zurückgreifen, in den Präsenzveranstaltungen der Sportarten Turnen und Judo von den TeilnehmerInnen aufgenommen und bewertet wurden. Kernbausteine der Konzeptentwicklung und Implementation waren dabei die starke Orientierung an einem umfassenden Beobachtungssystem zur pädagogischen Qualität, dem Classroom Assessment Scoring System, die Verwendung von Beobachtungsaufträgen in Verbindung mit Best-Practice-Clips und der Aufbau einer online verfügbaren Plattform zur eigenständigen Weiterarbeit. Dieses Projekt wurde sehr positiv evaluiert und mit großem Erfolg in die Traineraus- und - fortbildung des DTB implementiert.
Im vorliegenden Projekt wird das Konzept auf zwei Sportarten erweitert, die sich von ihren Kontextbedingungen erheblich von den beiden zuerst untersuchten Sportarten unterscheiden. Die konkreten Lerngegenstände, Trainingsabläufe, Organisationsformen und inhaltlichen Trainingsziele der Sportart Handball unterscheiden sich von den bisher bearbeiteten Sportarten in grundlegender Hinsicht: Große vs. kleine Trainingsgruppen, technisch-taktische vs. motorisch-kompositorische Anforderung, individuelle vs. mannschaftliche Leistungserbringung. Die neu fokussierten Sportarten Handball und RSG unterscheiden sich im Alterssegment 6-10 Jahre zudem ausgesprochen deutlich im Hinblick auf die Leistungs- und Wettkampforientierung des Trainings. Dieser Kontrast wurde in der Zielgruppenwahl noch verstärkt. Insofern ist die Ausweitung der Zielsportarten in diesem Projekt ein wichtiger Test auf die Frage, ob die Orientierung an CLASS als effektiv auch angesichts heterogener sportartspezifischer Lehr-/Lerninhalte, heterogener Trainingsinszenierungen und heterogener Leistungsanforderungen gezeigt werden kann. Dieser Nachweis ist in diesem Projekt gelungen.
Das Hauptanliegen des vorliegenden Projekts war allerdings die Frage, ob eine individuelle videogestützte Lernbegleitung (Coaching) in der Trainerbildung in überfachlichen pädagogischen Qualitätsmerkmalen implementiert werden kann, ob sie als lohnend evaluiert werden kann und ob sie als effektiv im Hinblick auf Einstellungs- und Verhaltensänderungen der Probanden gezeigt werden kann. In der internationalen wissenschaftlichen Debatte zur Trainerbildung spielen individualisierte Formate mit Einschluss von Mentoring und Coaching eine herausragende Rolle. Gleichzeitig sind derartige Formate sehr ressourcenintensiv. Im vorliegenden Projekt sollte mit der Verwendung von Online-Coaching und des Hinzuziehens der Online-Plattform auch eine gewisse Ressourcenentlastung erprobt werden. Insgesamt kann zum jetzigen Stand resümiert werden, dass das Online-Coaching von den TeilnehmerInnen außerordentlich positiv und lohnend bewertet wurde. Die Verwendung des CLASS-Instruments für die Klassifizierung sehr heterogener Trainingsszenarien hat sich gleichfalls sehr gut bewährt. Die TrainerInnen erreichen zudem über die verschiedenen Trainingsszenarien hinweg im Wesentlichen mittlere bis positive Werte hinsichtlich der pädagogischen Qualität. Es fällt auf, dass die Qualität des Feedbacks und die Berücksichtigung der Athletenperspektive von TrainerInnen weniger gut realisiert wird als die Etablierung eines positiven Klimas und der Implementation effektiver Lerngruppenleitung.