Diskussionsforen
Round Table "Quantitative-analytische Sportpädagogik"
Nachdem die quantitativ-analytische Forschung in der Sportpädagogik im Kielwasser der wachsenden Bedeutung empirischer Bildungsforschung in Deutschland zu Beginn dieses Jahrhunderts Fahrt aufgenommen hatte, scheint sich in den letzten Jahren eine gewisse Stagnation abzuzeichnen. Die Zahl von eingereichten wie publizierten Beiträgen aus diesem Bereich bewegt sich ebenso in einer überschaubaren Größenordnung wie die Beteiligung an der Qualitätsoffensive Lehrerbildung oder auf den einschlägigen sportpädagogischen sowie fachübergreifenden Konferenzen, wie etwa der GEBF oder GFD.
Quantitativ-analytische Forschung in der Sportpädagogik sitzt insofern „zwischen den Stühlen“, als dass sie sich im Spektrum von zumindest drei Bezügen unterschiedlicher Felder bewegt, die wiederum mit unterschiedlichen Herausforderungen einhergehen: Erstens markieren Konzepte und Methoden der Bildungs- und fachdidaktischen sowie soziologischen Forschung außerhalb der Sportwissenschaft wesentliche Ansprüche, Anregungen und Anschlüsse. Zweitens steht die quantitativ-analytische Sportpädagogik zugleich vor der Herausforderung, Bezüge zu relevanten sportwissenschaftlichen Teildisziplinen und vor allem der theoretisch-konzeptionellen wie der qualitativ-rekonstruktiven Sportpädagogik herzustellen und sich hier im Horizont von Kooperation und Konkurrenz weiter zu entwickeln. Schließlich und drittens erhebt auch die quantitativ-analytische Forschung den Anspruch, nicht nur grundlagenorientierte Beiträge anzubieten, sondern auch ihre Relevanz für die Praxis, z. B. von Sport und Schule, zu formulieren.
Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen möchte der Round Table diskutieren, inwiefern die Einrichtung einer informellen „Arbeitsgruppe quantitativ-analytische Sportpädagogik“ (AquaS) diese Forschungsrichtung in der näheren Zukunft stärken und weiterentwickeln kann. Hierzu sollen vor allem Bedarfe, insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses, weitere Herausforderungen und mögliche Angebote in der näheren Zukunft ausgeleuchtet werden.
Einleitend werden vier kurze Statements aus einer allgemeinen Perspektive sowie im Hinblick auf die sportpädagogische Jugend-, die Unterrichts- und die Lehrkräfteforschung eine erste Bilanz ziehen und Herausforderungen sowie Perspektiven quantitativer Forschung skizzieren.
Fachfremder Sportunterricht in der Grundschule – Diskussion über die aktuelle Lage und mögliche Impulse für die Zukunft
Das Diskussionsforum setzt sich mit dem Problem des (zunehmenden) fachfremden Sportunterrichts in der Grundschule auseinander. Die damit entstehende Schieflage in Hinblick eines kompetenzorientierten Unterrichtens des Fachs Sport in der Primarstufe lässt sich landesübergreifend beobachten; zugleich fehlen aktuelle aussagekräftige Statistiken oder Forschungsergebnisse.
Im Positionspapier zur Stärkung des Lehramts Primarstufe im Fach Sport (FSW, dvs & DSLV, 2019) wurde die Situation an Hochschulen sowie die Forderungen für ein zeitge-mäßes Studium bereits dargelegt, ein entsprechendes Forum beim dvs-Hochschultag 2019 griff die Thematik ebenfalls auf. Die skizzierten Problembereiche und Entwicklungen unterstreichen den immer noch vorliegenden Diskussionsbedarf, sowie die Notwendigkeit der Formulierung konkreter Erwartungshaltungen und Ansprüche, was ein Ziel dieses Forums abbildet. Zu Beginn des Formats wird Sebastian Liebl in einem Input den Status Quo erörtern und somit eine Überleitung zur Diskussion eröffnen.
Ziele des Diskussionsforums
Das Forum will einen Überblick über die Situation geben und zur Diskussion sowie zur Entwicklung von Forschungsfragen anregen. Dies beginnt beispielsweise mit der Verge-genwärtigung, dass die Begrifflichkeit „fachfremd“ für unser Fach anders gelagert ist als in anderen Unterrichtsfächern.
Hinzu kommt die Frage, welche Ansprüche wir als sportpädagogische Community an die Ausbildung von Quer- und Seiteneinsteigerinnen in unserem Fach haben und ob und welche Standards hier zu formulieren sind.
Die Ergebnisse des Forums sollen nach Möglichkeit in eine schriftliche Stellungnahme münden, um diesen Fragen auch bildungspolitisch Gewicht zu verleihen. Um sich mit den vielseitigen Fragestellungen auseinanderzusetzen, werden Sportpädagogeninnen gemeinsam mit Vertreterninnen anderer Fachdidaktiken sowie Kolleginnen aus der Referendarsausbildung diskutieren. Dies auch verbunden mit dem Ziel der stärkeren Ver-netzung und Kooperation.
Literatur
FSW, dvs & DSLV (2019). Positionspapier zur Stärkung des Lehramts Primarstufe im Fach Sport. Selbstverlag.
Von der Bewegungserziehung zur Bewegungsförderung – ein sportpädagogischer Paradigmenwechsel?
Der Begriff der Bewegungserziehung war lange Zeit für die sportpädagogische Auseinandersetzung mit Bewegung, Spiel und Sport gesetzt. Das Handbuch Bewegungserziehung von Renate Zimmer erschien erstmals Anfang der 1990er Jahre. Darin wurde ausführlich begründet, warum und wie pädagogisch verantwortete Bewegungsangebote die Entwicklung von Kindern fördern können (Zimmer, 1993). Viele weitere Ansätze bedienten sich dieser sportpädagogischen Argumentationsfigur. Das Verständnis bildet bis heute auch die Grundlage für die Primarstufendidaktik (Neuber, 2020).
Parallel diesem Konzept entwickelte sich der Ansatz der Bewegungsförderung. Mitte der 1980er Jahre veröffentlichte Sigrid Dordel unter dem Titel „Bewegungsförderung in der Schule“ ihr Handbuch zum Sportförderunterricht (Dordel, 1987). Schon früh wurde der Ansatz biomedizinisch ausgelegt. Bis heute hat er hier seine stärkste Bedeutung, was eine jüngst veröffentlichte Studie mit dem Titel „Bewegungsförderung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ bestätigt (BMG, 2022). Gleichwohl wird der Begriff seit den 2010er Jahren zunehmend auch im sportpädagogischen Feld gebraucht.
Der Begriff der Bewegungsförderung scheint damit sportpädagogisch hoffähig geworden zu sein. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Implikationen mit dem „neuen“ Begriff verbunden sind: Wird er reflektiert in den sportpädagogischen Diskurs integriert? Oder werden durch die Hintertür biomedizinische Denkfolien importiert? Diese Zuspitzung mag übertrieben klingen, am Ende dürfte sie aber mit darüber entscheiden, welche Arbeiten als „wissenschaftlich“ gelten. Insofern ist das gewählte Beispiel nur ein Indiz für eine sich verändernde Wissenschaftslandschaft in der Sportwissenschaft.
Vor diesem Hintergrund sollen im Diskussionsforum die Begriffe Bewegungserziehung und Bewegungsförderung geklärt werden. Dazu werden zwei neuere sportpädagogische Projekte vorgestellt. Esther Pürgstaller berichtet von einem Projekt zur Kreativen Bewegungserziehung in der Ganztagsschule. Im Anschluss stellen Anne Strotmeyer und Miriam Kehne ein Projekt zur Förderung motorischer Kompetenzen im Kontext der Bewegungsförderung vor. In einem weiteren Schritt fragt Nils Neuber nach den wissenschaftstheoretischen Implikationen dieser beiden Zugänge, um auf dieser Grundlage den aktuellen Standort der Sportpädagogik zu diskutieren. Als Diskutant unterstützt Peter Frei das Forum.
Literatur
Bundesministerium für Gesundheit (BMG). (2022). Bewegungsförderung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Zugriff am 20.02.2023 unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen.html
Dordel, S. (1987). Bewegungsförderung in der Schule – Handbuch des Schulsonderturnens/Sportförderunterrichtes. Modernes Lernen.
Neuber, N. (2020). Fachdidaktische Konzepte Sport – Zielgruppen und Voraussetzungen. Springer VS.
Zimmer, R. (1993). Handbuch der Bewegungserziehung – Didaktisch-methodische Grundlagen und Ideen für die Praxis. Herder.